Magengeschwüre - das "schlägt auf den Magen"!
Das Magengeschwür, auch Ulcera oder Ulcus genannt, beschreibt eine lokalisierte Schädigung der Magenschleimhaut. Meist resultiert diese aus einer nicht erkannten bzw. nicht behandelten vorangegangenen Magenerkrankung. In vielen Fällen könnte eine Magenschleimhautentzündung bzw. Gastritis auch Ursache für ein späteres Magengeschwür sein. Ähnliche Schleimhautdefekte können auch in unterschiedlichen Darmabschnitten Geschwülste verursachen, die Symptomatik ähnelt meist der des Magengeschwürs.
Wesentliche Ursache für die Entwicklung eines Magengeschwürs ist die Dysbalance zwischen schützenden und aggressiven Faktoren im Pferdekörper. Magenschützend sind dabei eine gut ausgebildete, säureresistente Schleimschicht sowie eine gute Durchblutung. Angreifend und schädigend wirken dagegen die übermäßige Produktion von Magensäure, auch chronische Entzündungsgeschehen oder mechanische Verletzungen.
Bisweilen sprechen Tierärzte auch vom "Equinen Gastric Ulcer Syndrome". Diese Bezeichnung zeigt bereits, dass es sich bei der Erkrankung eher um einen Ursachenkomplex handelt, bestehend aus äußeren und inneren Einflüssen, die verschiedenste Magenproblematiken bedingen und in weiterer Folge häufig zu Magengeschwüren führen. Die Ursachen können sich dabei im Training, der Haltung und Fütterung oder auch Stress und Krankheit finden.
Vermutlich leiden über die Hälfte aller domestizierten Pferde an Magenproblemen und Magengeschwüren. Während Magenprobleme früher vorwiegend ein Problem bei aktiven Rennpferden war (bis heute leiden über 90% der im Rennsport aktiven Pferde an Magenerkrankungen), werden heute zunehmend auch im Freizeitbereich chronische Magenschleimhautentzündungen und Magengeschwüre diagnostiziert. Im Turniersport eingesetzte Pferde erkranken im Verhältnis zwar häufiger, dennoch ist auch die hohe und immer noch steigende Anzahl erkrankter bzw. diagnostizierter Pferde im Freizeitbereich nicht schönzureden.
Mehr noch als der jeweilige Einsatzbereich des Pferdes spielt die Haltung und Aufzucht eine Rolle. So zeigen, verglichen zur konventionellen Boxenhaltung, in Offenstall- und Laufstallhaltung lebende Pferde deutlich seltener magenspezifische Symptome. Glücklicherweise entwickeln immer mehr Pferdebesitzer ein Bewusstsein für die Relevanz der Haltung und Fütterung. Der zu beobachtende Trend das Pferd möglichst "naturnah" und seiner Physiologie entsprechend zu halten wirkt sich eindeutig zugunsten der Magengesundheit aus.
Wie entstehen Magengeschwüre?
Zum besseren Verständnis um die Entstehung eines Magengeschwürs sollten zunächst einige grundlegende physiologische Zusammenhänge im Verdauungssystem des Pferdes geklärt werden. Die Verdauung des Menschen unterscheidet sich maßgeblich von der des Pferdes, so dass auch mögliche Ursachen andere sind. Während beim Menschen meist das Bacterium Helicobacter Pylori in Verbindung mit auftretenden Magengeschwüren gebracht wird, konnte beim Pferd bisher kein verantwortliches Bakterium gefunden werden.
Das Verdauungssystem ist ein fein abgestimmtes komplexes System, das extrem sensibel auf Veränderungen reagiert. Es ist nahezu perfekt angepasst an die natürlichen Lebensbedingungen wildlebender Pferde. Diese waren als ehemalige Steppenbewohner in ständiger Bewegung und verbrachten den Großteil des Tages damit, kleine Mengen strukturreicher und kohlenhydratarmer Raufasern (altes Gras, Gestrüpp etc.) aufzunehmen.
Der Pferdemagen ist ein muskuläres Hohlorgan, das den Speisebrei mithilfe peristaltischer Bewegung in den ca. 30 Meter langen Pferdedarm weiterleitet. Ein durchschnittlicher Pferdemagen fasst ca. 15-25 Liter und stellt somit nur etwa 10 % des gesamten Verdauungsvolumens dar.
Entsprechend dazu ist der Magen auf die ständige Zufuhr ebenso kleiner Futtermengen ausgelegt. Und genau in diesem Fressverhalten liegt der entscheidende Unterschied zum menschlichen Magen. Während dieser nur bei tatsächlicher Nahrungsaufnahme Magensäure und andere Verdauungssäfte produziert, sondern Drüsen im Pferdemagen praktisch 24 Stunden ohne Unterbrechung Magensäure ab. Die kontinuierliche Produktion der Magensäure wird dann zum Problem, wenn das Pferd nicht ausreichend Rohfasern aufnimmt oder zu lange Fresspausen aufgezwungen bekommt. Rohfaserreiche Nahrung wird entsprechend ihrer Struktur lange gekaut und gründlich eingespeichelt. Dies ist einerseits wichtig, da der Speichel bereits Enzyme zur Aufspaltung einiger Makronährstoffe enthält. Zum anderen aber dient das im Speichel enthaltene Bicarbonat der Neutralisierung bzw. Pufferung der Magensäure. Lange Fresspausen verhindern daher eine ausreichende Speichelproduktion und folglich auch die Säureregulation im Magen des Pferdes. Es kommt zu einer Übersäuerung des Magens.
Moderne Haltungsformen und die damit verbundenen Fütterungskonzepte gehen nicht konform mit den natürlichen Verdauungsprozessen. Lange Stehzeiten, nur zweimal tägliche Heufütterung und lange Fresspausen werden dann vielen Pferden zum Verhängnis. Der pH-Wert der Magensäure liegt bei 2-3 und ist somit extrem niedrig. Die überschüssige Magensäure wirkt sehr aggressiv und kann zu Läsionen in der Magenschleimhaut und teils schweren Magenverätzungen führen. Im schlimmsten Falle kann es zu einer Magenwandruptur kommen, diese Komplikation endet immer tödlich.
Passiert die aufgenommene Nahrung den ersten Magenabschnitt kommt es zunächst zu einer mikrobiellen Umsetzung leicht verdaulicher Kohlenhydrate (Stärke, Einfachzucker) sowie begrenzt auch Proteinen. Die dabei anfallenden toxischen Nebenprodukte (Milch-, Essig- und Buttersäure) und auch die Bildung von Gasen und Ammoniak verdichten das ohnehin schon sehr saure Magenmilieu. Erst im zweiten Magenabschnitt finden sich die Magensäure produzierenden Drüsen. Hier dient die vordere Zone im Bereich des sogenannten Fundus der Absonderung des Magensaftes. Dieser enthält beträchtliche Mengen des proteinspaltenden Enzyms Pepsin sowie Salzsäure. Der im Magen befindliche Speisebrei stimuliert außerdem durch eine mechanische Dehnung der Magenschleimhaut und seinen höheren pH-Wert die Sekretion des Hormons Gastrin (im Bereich des Antrum Pyloricum). Dieses gelangt dann über die Blutbahn zu speziellen Rezeptoren und leitet so die Produktion der sauren Magensäure ein. Der pH-Wert des Nahrungsbreis wird im Laufe dieser Vorgänge von etwa 6 auf 2-3 herabgesenkt, abhängig von der individuellen Futterzusammensetzung (Kraftfutteranteil).
Wie lange es dauert bis der Nahrungsbrei den Magen vollständig durchlaufen und den Darm erreicht hat hängt von verschiedenen Faktoren ab. Zum einen bestimmt das Partikelvolumen die Verdauung. Insbesondere unlösliche große Kohlenhydratmoleküle (Zellulose, Lignin) reduzieren die Verdauungsgeschwindigkeit beträchtlich. Umso wichtiger ist eine gründliche Vorbereitung der Nahrung. Dies geschieht durch gründliches Kauen und Einspeicheln im Maul des Pferdes. Schluckt das Pferd zu schnell und speichelt die aufgenommene Nahrung nicht ausreichend ein kann die Magensäure gegebenenfalls große Partikel nicht durchdringen. Sie werden folglich nicht bis ins Innere aufgespalten. Hinzu kommt, dass in diesem Fall in der Nahrung befindliche Keime und Toxine ungehindert in den Darm gelangen und dort die empfindliche Darmflora stören können.
Es gibt zahlreiche Gründe, die zur Störung des Magen- und Darmmilieus führen. Neben zu langen Fresspausen (nie länger als 4-6 Stunden!) und der damit einhergehenden fehlenden Pufferung durch den Speichel können auch zu hohe Kraftfuttermengen ein Problem darstellen. Erhält das Pferd zu große Portionen Kraftfutter kommt es zwangsläufig zu einer erhöhten Milchsäurebildung, die wiederum zu Gärungsprozessen und einer Magenübersäuerung führen kann. Zudem reagiert der Organismus mit einer gesteigerten Gastrin- und Histaminproduktion (Gewebshormon und Neurotransmitter), diese Stoffe können in hoher Menge die Bildung von Magengeschwüren fördern. Aufgrund des verhältnismäßig geringeren Volumens und dem geringeren Faseranteil wird das Kraftfutter meist weniger gekaut und schnell geschluckt.
Zum Vergleich: Während bei dem Verzehr von Heu rund 4-5 Liter Speichel pro kg Heu gebildet werden wird bei Kraftfutter nur ca. 1-1,5 Liter Speichel pro kg Futter produziert. Der pH-Wert des Nahrungsbreis ist bei sehr hastiger Futteraufnahme deutlich erhöht, so dass Keime und Pilze die Magenpassage oftmals überleben und in den Darm gelangen. Auch einige Enzyme werden bei zu kurzem Aufenthalt im Magen nicht aktiviert (z.B. Pepsinogen für die Proteinspaltung) und die in der Nahrung enthaltenen Stoffe können nicht optimal aufgenommen werden. Der Futterwert sinkt dadurch deutlich. In der Praxis sollte die Kraftfuttergabe auf möglichst viele kleine Rationen aufgeteilt werden. Auch sollte das Pferd vorher ausreichend Heu gefressen haben, so dass ein passender Magen pH-Wert sichergestellt wird.
Ein weiterer enorm wichtiger Aspekt ist Stress. Nicht ohne Grund ist der prozentuale Anteil an magenkranken Pferden unter Hochleistungspferden eklatant hoch. Sowohl physischer als auch psychischer Stress aktiviert den Sympatikusnerv („Fight and Flight“). Ist dieser aktiv wird zugleich der für die Verdauung verantwortliche Parasympatikus gehemmt. Stresshormone (Cortisol, Adrenalin) werden vermehrt ausgeschüttet, der Cortisonspiegel steigt. Zugleich funktioniert das Puffersystem im Magen nicht mehr korrekt, es kommt zu einer erhöhten Produktion von Salz- und Magensäure. Die Ursachen können in Haltungs- und Fütterungsfehlern, fehlenden Sozialkontakten, Herdendruck, Training und Ausrüstung oder plötzlichen Stallwechseln liegen.
Weiterhin können selbstverständlich auch diverse Zahnerkrankungen (Kau- und Schluckbeschwerden), Magenparasiten (Magendasseln), kontaminiertes oder verdorbenes Futter sowie auch die orale Gabe von Medikamenten, Futterentzug (bei Schmerzen, Koliken oder nach Operationen) die Entstehung von Magengeschwüren fördern.
Mögliche Symptome bei Magenproblemen
Die Symptome können zum Teil sehr unspezifisch sein, so dass prinzipiell jeder Pferdebesitzer auch vermeintlich unauffällige Verhaltensänderungen an seinem Pferd bemerken und ernst nehmen sollte (z.B. Zähneknirschen, Unwilligkeit unter dem Reiter).
Zudem muss die Symptomatik bei erkrankten Fohlen ganz klar von adulten Pferden abgegrenzt werden. Durchfall oder starkes Kotwasser, milde Koliken bzw. Blähungen, struppiges Fell, knirschen mit den Zähnen, Liegen in Rückenlage, unterbrochenes Saugen und starkes Einspeicheln können erste Anzeichen von Magenproblemen beim Fohlen sein.
Auch erwachsene Pferde leiden häufig unter rezidivierenden milden Koliken und einem schlechten Allgemeinzustand. Oftmals magern betroffene Pferde in kurzer Zeit stark ab. Schlechte Futteraufnahme, auffällig langsames oder hastiges Fressen, Mundgeruch, Zähneknirschen, Aufstoßen, Flehmen oder Leerkauen sind weitere häufige Symptome. Auch ein allgemeiner Leistungsabfall, apathisches Verhalten und ein steifer Gang können Hinweise auf eine Magenproblematik geben.
Eine sichere Diagnose kann der Tierarzt jedoch nur mithilfe einer Gastroskopie stellen.
Behandlungsmöglichkeiten bei Magengeschwüren
Ist das Pferd akut an einem Magengeschwür erkrankt steht zunächst die richtige Diagnose an erster Stelle.
Hier gilt es abzuwägen, ob die Symptome so eindeutig sind, dass mit hoher Sicherheit auf ein Magengeschwür geschlossen werden kann. Hier ist es in einigen Fällen dann sinnvoller von einer Gastroskopie abzusehen und den zusätzlichen Stress des Klinikaufenthaltes und auch die hohen Kosten zu vermeiden. Neben den typischen Symptomen kann auch ein Blutbild Aufschluss über mögliche Erkrankungen geben. Hier sind meist die Entzündungswerte leicht erhöht, zudem leiden betroffene Pferde häufig unter Eisenmangel und niedrigen Hämoglobinwerten. Auch Blut im Stuhl in Verbindung mit einem erhöhten Puls und Fieber kann ein deutlicher Hinweis sein. Sind die Symptome nicht eindeutig kommt man jedoch um eine gründliche Untersuchung mithilfe einer Endoskopie nicht herum.
Ein akutes Magengeschwür wird meist medikamentös behandelt (Wirkstoffe: Omeprazol, Pantaprazol). Die medikamentöse Therapie zielt dabei in erster Linie auf eine Reduktion der Magensäureproduktion ab (Protonenhemmer), um so den pH-Wert zu erhöhen und ein etwas basischeres Magenmilieu zu gewährleisten. Um das Abheilen der Magenläsionen zu ermöglichen und schwerwiegende Komplikationen zu verhindern (Magenwandruptur) ist die Medikamentengabe meist die einzig sinnvolle Ersttherapie.
Magensäureblocker können den Körper und Darm der Pferde belasten!
Neben den immer noch weit verbreiteten Fütterungsfehlern, stellen auch die teils hohen Medikamentengaben bei der Behandlung von Magengeschwüren mit Magensäureblockern (Protonenpumpenhemmer wie Omeprazol) ein immenses Problem für die Darmgesundheit des Pferdes dar. Rund 70 Prozent aller immunrelevanten Zellen (Produktion von Antikörpern) sitzen in der Darmschleimhaut. Zudem finden sich im gesamten Magen-Darm-Trakt besonders viele Lymphozyten enthaltende Lymphknoten wieder (ca. 80%). Der Darm ist auf eine gesunde Darmflora angewiesen, um seinen Aufgaben gerecht zu werden. Diese umfassen (neben der Materialselektierung in gute und schlechte Stoffe), die Bereitstellung benötigter Vitalstoffe zum Aufbau neuer Moleküle, wie Proteine/Enzyme, Hormone und Vitamine (Anabolismus) und Abbau zur Energiegewinnung (Katabolismus) eben auch den Schutz des Organismus vor Toxinen und Krankheitserregern. Gerät die fein ausbalancierte Darmflora nun aus dem Gleichgewicht, ist dieser Schutz nicht mehr voll gegeben.
Vorbeugung ist die beste Therapie
Die Ursachenbekämpfung ist sowohl zur Unterstützung des Heilungsprozesses bei einem akuten Magengeschwür als auch zur langfristigen Prophylaxe grundlegend. Ganz praktisch sollte hier immer zuerst das Haltungs- und Fütterungsmanagement überdacht und gegebenenfalls angepasst werden. Im Vordergrund steht zunächst immer die korrekte Fütterung. Grundlage sollte immer ein qualitativ hochwertiges Raufutter sein (Heu, Stroh), das dem Pferd wenn möglich rund um die Uhr zur Verfügung steht.
Ist es haltungstechnisch oder gesundheitlich (dicke und Hufrehe gefährdete Pferde sollten nicht unbedingt 24h Heu zur freien Verfügung haben) nicht umsetzbar, sollte zumindest darauf geachtet werden, dass dem Pferd niemals länger als 4-6 Stunden kein Futter zur Verfügung steht. Es ist deutlich magenschonender mehrmals kleinere Portionen zu füttern, als nur zweimal pro Tag große Rationen. Hier ist das Pferd meist sehr hungrig und schlingt dann beim Fressen, was dem dann ohnehin schon übersäuerten Magen zusätzlich zusetzt. In manchen Fällen kann auch das Füttern aus Heunetzen sinnvoll sein, um eine langsame Futteraufnahme und gründliche Einspeicheln zu erreichen und die Fresszeiten zu verlängern. Die individuell passende Maschenweite und das korrekte Anbringen (nie zu hoch!) der Netze ist hierbei jedoch entscheidend, da die Netzfütterung bei falscher Handhabung auch zusätzlichen Stress verursachen kann.
Auch das Kraftfutter sollte möglichst auf mehrere kleine Portionen verteilt gefüttert werden. Es kann zudem sinnvoll sein, das Kraftfutter mit strukturreichem Mischfutter (zum Beispiel langfaserige Luzernehäcksel) zu kombinieren.
Neben der Fütterung spielt die Haltung eine wichtige Rolle. Studien belegen, dass in Bewegungs- und Offenstallhaltung lebende Pferde insgesamt ein deutlich geringeres Risiko haben an Magenproblemen zu erkranken, so dass oftmals das Umstellen von Boxen- in Laufstallhaltung positive Erfolge erzielen kann. Auf der anderen Seite sollte dabei jedoch immer auch auf die passende Herdenzusammenstellung und die Bedürfnisse des einzelnen Pferdes geachtet werden. Es gilt daher immer im Einzelfall zu entscheiden.
Wussten Sie schon?
Routinemäßige Untersuchungen haben gezeigt, dass ca. 50%-70% aller Fohlen Magenläsionen (krankhafte Veränderungen der Magenschleimhaut) aufwiesen. Allerdings bedeuten diese Ergebnisse nicht, dass alle untersuchten Pferde bereits an einem Magengeschwür erkrankt sind.
Alles in allem ist diese Untersuchung aber ein alarmierender Hinweis über die Anfälligkeit des noch jungen Pferdemagens.
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